WIE SINNVOLL IST MENTALTRAINING UND FLOW IM FUSSBALL?
mit Marcel Höttecke vom Chemnitzer FC
von Andreas Paul Bosch
(Flow Champions Gründer und Flow-Experte)
von Andreas Paul Bosch
(Flow Champions Gründer und Flow-Experte)
Ich freue mich so sehr, dieses Interview mit Marcel Höttecke vom Chemnitzer FC mit euch teilen zu können!
Im Interview teilt Marcel mit uns seine Erfahrungen und Ansichten über Mentaltraining im Fußball.
Da bekomme ich Gänsehaut: Als Mentaltrainer beim kognitiven Training und Reaktionstraining dabei sein zu können und live zu sehen, wie die Torhüter beim Chemnitzer FC trainieren. Ich war einfach nur geflasht und im Flow.
Marcel ist seit dieser Saison der Torwarttrainer des Chemnitzer FC. Zuvor trainierte Marcel als Torwarttrainer die Torhüter im Nachwuchsleistungszentrum von Borussia Mönchengladbach. Vor seiner Karriere als Torwarttrainer war er u.a. für Borussia Dortmund in der ersten und den 1. FC Union Berlin in der zweiten Bundesliga aktiv.
Freut euch auf wertvolle Tipps und Techniken von Fußballer für Fußballer. Los geht’s!
Welche Erfahrung hast du mit Mentaltraining bzw. was ist für dich Mentaltraining?
In meiner aktiven Zeit haben einige Vereine in gewissen Abständen
verschiedene Mentaltrainer für die Mannschaft eingeladen. Als Mentaltrainer musst du aber wissen, wen du trainierst. Habe ich einen Sportler vor mir oder jemand der kein Sport macht. Einige Mentaltrainer vergessen, dass Sportler sich in vielen Abläufen besser konzentrieren können, da bei ihnen der Ehrgeiz nach maximalen Erfolg höher ist. Wenn der Sportler keinen Reiz bekommt, wird er das Mentaltraining auch nicht annehmen. Die Individualität des einzelnen spielt somit eine große Rolle, da jeder einen anderen Impuls braucht, um seine maximale mentale Stärke zu erreichen.
Ich integriere den Baustein des Mentaltrainings in meine tägliche Arbeit auf und neben den Platz. Somit steht es nicht isoliert, sondern immer im konkreten Zusammenspiel im Torwarttraining in den Bereichen Techniktraining, Wettkampfvorbereitung, Motivation und Konzentration. Der Torhüter wird Stresssituationen ausgesetzt, wobei neben dem technisch-taktischen Bereich auch immer die mentale Stärke aktiv gefragt ist, wenn auch manchmal unterbewusst.
Was uns als Mentaltrainer natürlich brennend interessiert, was meinst du, welchen Stellenwert hat Mentaltraining im Profifußball?
Das wird sich in Zukunft zeigen. Es kommt viel auf die Qualität der Mentaltrainer an. Ein guter Mentaltrainer kann in Zukunft seine Qualitäten z.B. auch in die Kaderplanung mit einbringen.
Wie siehst du das? Bedeutet für dich Mentaltraining gleich (mental) schwach zu sein?
Das Mentaltraining ist einer von vielen Schwerpunkten für den Spieler. Habe ich als Spieler keine Athletik, komme ich über meine Mentalität auch nicht weiter. Du brauchst Athletik, Mentalität und die richtige Ernährung, um als Spieler neben dem Talent das Maximum aus dir herauszuholen. Das Training verbessert den Sportler, ob Techniktraining, Athletiktraining oder Mentaltraining. Was jedoch der Spieler daraus zieht, hat jeder selbst in der Hand und entscheidet dadurch, wie viel er aus sich rausholt.
Und welche Rolle spielen Empathie, Gefühle, Softskills im Fußball? Oder sind Gefühle ein Zeichen von Schwäche?
Emotionen gehören zum Fußball auf und neben den Platz dazu. Aus diesem Grund ist es so wichtig mit diesen umgehen zu können. Die Spieler müssen untereinander das richtige Fingerspitzengefühl entwickeln, um empathisch aufeinander zugehen zu können, was sich dann wiederum auf den sportlichen Erfolg der Mannschaft positiv auswirkt, da die Mannschaft näher zusammenrückt.
Wie sieht die Zeit vor dem Spiel aus und in der Halbzeit? Also in der Kabine: welche Gedanken, Vorbereitung, Rituale, …?
Die Zeit vor dem Spiel fängt mit der Trainingswoche bereits an. Die Torhüter brauchen Stress im Training, um Spaß im Wettkampf zu haben. Vor dem Spieltag hat jeder Torhüter seinen eigenen Ablauf der Vorbereitung. Am Spieltag ist der Torwart fokussiert und hat seine eigenen Routinen und Abläufe bis zum Anpfiff.
Und was machst du bei so Situationen wie dem entscheidenden Elfmeterschießen, wie vor Kurzem im DFB Pokal gegen den HSV? Wie bereitest du den Torwart auf diese Situation vor? Was sagst du ihm kurz vor dem Elfmeterschießen?
Du motivierst ihn mit der gezeigten Leistung im Spielverlauf und erinnerst ihn an seine Paraden und Erfolge. Du gibst ihm Tipps, um den Gegner zu beeinflussen. Als Torwart kannst du im Elfmeterschießen schließlich nur gewinnen.
Was ist für dich Flow und ist der Flow-Zustand hilfreich als Torwart?
Du musst dich in einen positiven Rausch spielen. Wenn du das als Torwart
schaffst, überträgst du das auf andere Spieler deiner Mannschaft, die ebenfalls andere Spieler damit erreichen.
Damit Sportler im Flow ihre volle Leistung erbringen können, spielt der optimale Erregungsgrad eine entscheidende Rolle. Das ist wie bei einer Glühlampe. Bekommt sie keinen oder zu wenig Strom, leuchtet sie nicht richtig, sondern flackert höchstens ein bisschen. Wird die Spannung jedoch zu hoch, brennt die Lampe durch. Erst wenn genau die richtige Menge an Energie bzw. Strom durchfließt, brennt sie schön hell und konstant. Und genauso verhält es sich auch mit dem Erregungsgrad und der vollen Leistung.
Im optimalen Erregungsgrad erbringen Sportler von Anfang bis Ende ihre volle Leistung. Was meinst du, Marcel? Wie hoch ist der optimale Erregungsgrad (Aktivierungsgrad) als Torwart?
Du musst gucken, dass der Grad der Aktivierung im optimalen Bereich ist, um die beste Leistung abrufen zu können. Wenn du merkst, dass er zu niedrig oder zu hoch ist, kennen die Torhüter ihre Abläufe, um diesen in den optimalen Bereich zu bringen.
Muss sich ein Torwart im Spiel hoch und runterfahren können und wenn ja wie?
Ich kann mich an Interviews mit Oli Kahn erinnern. Er hat in den Spielen für
Bayern München 1-2 Torschüsse halten müssen und im Interview gewirkt als wäre er
gerade einen Marathon gelaufen. Daran erkennt man die mentale Anspannung auf der Position. Es ist daher sinnvoll als Torwart das Spielfeld in die Bereiche einer Ampel aufzuteilen. Steht die Ampel auf Grün ist der Ball am anderen 16er und ich kann mich kurz bewusst runterfahren. Kommt der Ball Richtung Mittellinie springt meine Ampel auf Gelb und ist der Ball in der eigenen Hälfte steht die Ampel auf Rot. Auf diese Weise schafft es der Keeper konstant seine Leistung zu bringen und auf den Punkt da zu sein.
Wie war bzw. ist das bei dir? Welchen Stellenwert hat Entspannungstraining in der Profikarriere, damals als Spieler und heute als Trainer?
In meiner aktiven Zeit war das bewusst nie ein Thema für mich. Ich habe für mich selbst Abläufe zur Entspannung und Aktivierung entwickelt, die ich dann in der jeweiligen Situation angewendet habe, um auf den Punkt Leistung zu bringen.
Als Trainer gebe ich den Torhütern Techniken und Impulse mit auf den Weg, um den idealen Wettkampfzustand zu erreichen.
Abschließend noch zwei Fragen zu deiner Zeit als aktiver Fußballer.
Hast du schon mal Selbstzweifel gehabt und wie bist du damit umgegangen?
Als Sportler und als Trainer hast du das Vergnügen dein Geld mit der Sache zu verdienen, die dir am meisten Spaß macht.
Und wie bist du damals als Torwart mit Verletzungen umgegangen?
Du musst es akzeptieren! Du kurierst deine Verletzung aus und gibst im
Aufbautraining 100 %. Nächstes Jahr um die Zeit steht man wieder auf dem Platz und hat bereits seine 10-15 Spiele gemacht.
Nochmal vielen Dank für das Interview! Auch als Mentaltrainer konnte ich viel dazu lernen und damit unser Flow-Training auf’s nächste Level bringen. Ich wünsche dir, Marcel, viel Erfolg mit dem Chemnitzre FC!
Fandest du das Interview mit Marcel spannend und für dich hilfreich?
Falls ja, dann teile es doch mit anderen, die auch davon profitieren können.
Bis bald!
Hallo. Ich bin Andreas, Gründer von Flow Champions, BDFL Referent, Mentaltrainer A, DOSB-Ausbilder und Präsident vom Deutschen Bundeverband Sportmentaltraining.
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!