Neuroplastizität: Alles was du für deinen Flow wissen musst – inklusive 6 sofort umsetzbare Übungen für mehr Leistung
von Andreas Paul
(Flow Champions Gründer und Sportmentaltrainer)
von Andreas Paul
(Flow Champions Gründer und Sportmentaltrainer)
Heute machen wir einen kleinen Ausflug in die Welt unseres Gehirns. Das soll dir zum ein besseres Verständnis geben, was da in deinem Kopf eigentlich vor sich geht und wie du zum anderen dieses Wissen für deinen Flow nutzen kannst.
Wir haben nicht nur dieses sagenhafte Ding in unserem Kopf, das so vieles für uns tut und uns beim Lernen helfen kann, sondern es kann sich auch verändern und anpassen und uns weiter voranbringen, als wir bisher gekommen sind. Es kann uns dabei helfen, uns selbst zu [übertreffen].
So einfach und treffend beschreibt der amerikanische Gehirnforscher Andrew Newberg unser menschliches Gehirn und dessen Fähigkeit sich ständig neu zu verschalten.
Das Wissen über die Funktionsweise und Fähigkeiten unseres Gehirns spielt auch beim Flow-Training eine entscheidende Rolle. So basiert ein wichtiger Teil unseres Trainingsansatzes auf den aktuellen Erkenntnissen neurowissenschaftlicher Forschungsergebnisse. Passend zu diesen Erkenntnissen werden entsprechende Flow-Übungen ausgesucht und entwickelt, die dir helfen schneller und häufiger in den Flow zu kommen.
Schließlich ist Flow ein mentaler Zustand kognitiver Leichtigkeit.
Es kann sehr hilfreich sein, die Prozesse und Funktionen, die in deinem Gehirn ablaufen, zu verstehen. Denn mit dem richtigen Verständnis machen für dich die Übungen und das Training als solches einen viel besseren Sinn und du kannst sie so noch besser verinnerlichen und für dich nutzen.
Dieses Mal starten wir genau umgekehrt. Es geht gleich los mit der Praxis, den sechs einfachen Übungen für mehr Leistung und Widerstandskraft. Und dann folgt das Hintergrundwissen zum Wunderwerk Gehirn. Als Bonus gibt es als krönenden Abschluss noch eine passende Flow-Übung, damit du das neuerlangte Wissen auch gleich in die Praxis umsetzen kannst.
1) Mit links die Zähne putzen:
Bist du Rechtshänder, putzt du dir die Zähne für eine Woche lang mit der linken Hand (Linkshänder putzen mit der rechten Hand) und schreibst es als Aufgabe auf einen Post-It, z.B. „Zähneputzen mit linker Hand“. Kleb es an deinen Badspiegel, um die Woche über stets daran erinnert zu werden! Erhöhe nach einer Woche den Schwierigkeitsgrad, indem du als nächstes einbeinig die Zähne putzt!
2) Mit links Handy-Nachrichten schreiben:
Schreibst du sonst deine Handy-Nachricht mit der rechten Hand, schreibst du sie ab sofort mit links. Schreibst du sie sonst immer mit der linken Hand, tippst du sie mit rechts ein. Schreibst du sie mit beiden Händen, versuche die Nachrichten nur mit einer Hand zu schreiben.
3) Handzeichnungen:
Halte deine Hände locker vor deinem Körper ausgestreckt, so dass die Arme in etwa parallel zum Boden sind. Mit der einen Hand zeichnest du ein Quadrat in die Luft, mit der anderen Hand versuchst du gleichzeitig einen Kreis in die Luft zu zeichnen.
4) Schuhe im Stehen anziehen:
Versuche bei dem nächsten Schuhe anziehen, dies im Stehen zu tun, ohne dich dabei auf einen Stuhl zu setzen. Natürlich ist dabei erlaubt, die Knie leicht zu beugen. Schließlich sollst du ja auch deine Füße erreichen können. Ziehst du bereits deine Schuhe im Stehen an? Dann versuche beim nächsten Mal die Schuhe im Stehen mit geschlossenen Augen anzuziehen.
5) Treppe rückwärts runter gehen:
Treppe rückwärts rauf oder runter gehen, aber Vorsicht! Dies solltest du zunächst ganz langsam und mit Bedacht tun. Halte dich gerade bei den ersten Versuchen am Treppengeländer fest und schaue über deine Schulter nach hinten. Wenn du darin etwas Routine hast, kannst du es dann auch ohne Blick über die Schulter und Festhalten am Treppengelände versuchen.
6) Einbeinstand:
Einbeinstand in der Warteschlange beim Einkaufen, an der Haltestelle oder in der S-Bahn, U-Bahn oder Zug. Musst du das nächste Mal an der Warteschlage im Supermarkte oder an der Haltestelle warten, dann stelle dich einfach auf ein Bein und versuche das Gleichgewicht zu halten. Das Gleiche kannst du auch während einer Fahrt in einem öffentlichen Verkehrsmittel machen. Dabei reicht es schon, wenn du das Bein leicht anhebst, so dass es etwa zwei, drei Zentimeter über dem Boden schwebt und du das Gleichgewicht zwar halten musst, aber jederzeit wieder Halt finden kannst.
Probiere die hier vorgestellten Übungen einfach mal aus und finde so Stück für Stück heraus, welche davon dein Gehirn am meisten fordert und dich am ehesten ansprechen.
Wichtig! Gerade für die letzten drei Übungen bedarf es etwas Körpergespür und Gleichgewichtssinn. Durchführung auf eigene Gefahr, daher die Übungen bitte mit Bedacht ausprobieren. Zusätzlich gilt, dass stimulierende Reize zur „Neu-Verschaltung“ unseres Gehirns nur im Prozess des Lernens gesendet werden. Daher: Wird eine Übung beherrscht, muss eine Steigerung erfolgen, um unser Gehirn weiter zu fordern.
Neuere neurowissenschaftliche Forschungsergebnisse bestätigen, dass das Gehirn einerseits sehr plastisch und formbar ist und sogar bis ins hohe Alter neue Zellen bilden kann. Unser Gehirn verschaltet sich somit ständig neu und kann bis ins hohe Alter neue Nervenzellen und Verbindungen (Synapsen) oder sogar ganze Hirnareale verändern und so neu bilden.
Durch die soeben beschriebenen, für dich zunächst ungewohnten Übungen wird dein Gehirn angeregt genau das zu tun. Der Trick dahinter ist die Tatsache, dass die Übungen und Herausforderungen für dich unbekannte und nicht alltäglich sind.
Genau das fordert Dein Gehirn und lässt es neue Synapsen bilden. Dadurch nutzt diese Fähigkeit deines Gehirns für dich, um nicht nur alte unliebsame Gewohnheiten zu verändern, sondern leistungs- und widerstandsfähiger zu werden. Dazu gleich mehr.
Das Tolle dabei ist, dass diese kleinen alltäglichen Herausforderungen dir auch noch dabei helfen leichter und häufiger in den Flow zu kommen.
Durch das kontinuierliche Meistern von Herausforderungen steigerst du deine Konzentrationsfähigkeit, Stressresistenz und Selbstbewusstsein. Das wirkt sich wiederum positiv auf das Erreichen des Flow-Zustands aus. Denn ohne Kompetenzüberzeugung, Gelassenheit und Stressresistenz in Wettkämpfen ist ein Flow-Erleben fast aussichtslos. Klicke hier, um mehr darüber zu erfahren, wie dir kleine alltägliche Herausforderungen dabei helfen in den Flow zu kommen.
Im Fachjargon nennt sich diese plastische Formbarkeit unseres Gehirns Neuroplastizität.
Neuroplastizität bezeichnet die Fähigkeit des Gehirns, immer wieder neue Nervenzellen (Neuronen) zu bilden und neue Verbindungen (Synapsen) einzugehen, indem sich Neuronen mit anderen Neuronen verbinden. Aber was passiert da genau in unserem Gehirn und was genau sind Synapsen, Neuronen oder Neuronennetzwerke?
Unser Gehirn besteht aus Abermillionen von Nervenzellen, sogenannte Neuronen, die untereinander mit wiederum Unmengen an Synapsen (Verbindungen zwischen den Nervenzellen) verbunden sind. Jedes Neuron besitzt allein schon zwischen 1.000 und 10.000 Synapsen. Um genau zu sein besteht unser Gehirn aus ca. 100 Milliarden Neuronen (Gehirnzellen) – so viele Sterne wie es in der Milchstraße gibt – mit ca. einer halben Trillionen Synapsen (Verbindungen). Die durch Synapsen verbundenen Neuronen bilden sogenannte Neuronennetze.
Nervenzellen und deren Synapsen (Bild: Shutterstock / Lightspring)
Vereinfacht kann man sich das so vorstellen, dass jedes Neuronennetz einen Gedanken, eine Erinnerung, eine Fertigkeit, eine Information usw. repräsentiert. [1]
Diese Neuronennetze sind aber nicht isoliert, sondern alle miteinander verbunden. Aus diesen Verbindungen bestehen deine komplexen Ideen, Erinnerungen und Emotionen. Somit beeinflusst dein komplettes Leben, welche Erfahrungen, Erlebnisse, Fertigkeiten, etc. gesammelt hast die Neuronennetze in deinem Gehirn. Dazu ein Beispiel aus dem Buch „Bleep: An der Schnittstelle von …“ von W. Arntz, B. Chasse, M. Vicente:
Das Neuronennetz für „Apfel“ ist nicht ein einfaches Netzwerk aus Neuronen. Es ist ein viel größeres Netzwerk, das mit vielen anderen Netzwerken verbunden ist, etwa den Neuronennetzen für „rot“, „Obst“, „rund“, „lecker“ und so weiter. Dieses Neuronennetz ist selbst mit so vielen anderen Netzwerken verbunden, damit das ebenfalls eingebundene Sehzentrum, wenn Sie einen Apfel sehen, dieses Netzwerk „anfeuert“, um Ihnen ein Bild dieses Apfels zu übermitteln.
Es ist möglich, die zusammengeschalteten Neuronennetze des Gehirns (die eben nichts anderes als ein Gedanken, eine Erinnerung, oder eine Fertigkeit sind) aufzubrechen und so Gewohnheiten zu verändern. Der Schlüssel dafür liegt in der natürlichen Fähigkeit des Gehirns, neue Verbindungen zu bilden (Neuroplastizität). Denn eine Grundregel der Neurowissenschaft lautet:
Nervenzellen, die gemeinsam feuern, schalten sich auch zusammen oder verschalten sich. [1]
Sprich, begehst du beispielsweise eine Handlung einmal, so bildet eine lose Ansammlung an Neuronen als Reaktion darauf ein Neuronennetzwerk. Doch erst wenn du diese Handlung immer wieder wiederholst, festigt sich dieses vorher lose zusammengesetzte Netzwerk an Neuronen, indem sich die Nervenzellen immer stärker verbinden und immer leichter feuern. Umgekehrt gilt natürlich das gleiche: Nervenzellen, die nicht zusammen feuern, verschalten sich nicht mehr miteinander, die Verbindung in diesen Neuronennetzen wird schwächer, bis sie sich schließlich ganz auflöst.
Unterbrichst du also deine mentalen, emotionalen und körperlichen Gewohnheiten, lösen sich die miteinander verbundenen Nervenzellen und Netzwerke nach und nach auf. Beginnst du jedoch mit mentalen und körperlichen Gewohnheiten und wiederholst diese immer wieder, entsteht daraus ein neues Neuronennetzwerk, das mit der Zeit immer stärker und fester wird, bis du schließlich ein neues Muster, eine neue Gewohnheit, gebildet haben.
Soll heißen: Gewohnheitsmäßige Verhaltensweisen und charakteristische Verhaltens- und Denkmuster lassen sich immer ändern! Denn dein Gehirn verschaltet sich ständig neu und das bis ins hohe Alter hinein!
[Zusätzliches Wissen] Willst du dich tiefer in die Materie der Neurowissenschaften einlesen, wie das Gehirn funktioniert und was es genauer mit der Neuroplastizität auf sich hat? Der Artikel „Neuronale Plastizität: Das formbare Gehirn“ der Max-Planck-Gesellschaft gibt dir weitere hilfreiche Informationen. Klicke hier, um den Artikel herunterzuladen.
Greifen wir das Prinzip der Neuroplastizität auf, führt uns das zu einer weiteren hilfreichen Erkenntnis für das Erreichen des Flows. Wie zuvor erwähnt, ist es wissenschaftlich bewiesen, dass jede Fertigkeit, Gedanke und Erlebnisse ein Neuronennetzwerk darstellt. Und nichts anderes ist doch der Flow?!
Der Flow ist ein mentaler Zustand, ein Erlebnis, eine Fertigkeit. Und damit wiederum ist er doch eine Ansammlung an verbundenen Neuronen, ein Neuronennetzwerk?!
Schaffst du es folglich einmal in den Flow zu kommen, bildet eine lose Ansammlung an Neuronen als Reaktion darauf ein Neuronennetzwerk. Schaffst du es nun durch regelmäßiges Flow-Training diesen Zustand immer wieder zu erreichen, festigt sich dieses vorher lose zusammengesetzte Netzwerk an Neuronen, indem sich die Nervenzellen immer stärker verbinden und immer leichter feuern. Damit entsteht ein neues Neuronennetzwerk.
Wir nennen es einfach mal das Flow-Neuronennetzwerk, um das Ganze zu vereinfachen. Das Flow-Neuronennetzwerk, wird mit der Zeit, regelmäßigem Training und Konditionierung also immer stärker und fester, bis sich schließlich ein festes Muster, das Flow-Erlebnis, gebildet hat.
Das bedeutet, dass dein Gehirn gewissermaßen auf den Flow konditioniert wird. Und genauso wie die Neuronen leichter feuern, fällt es dir durch das vorhandene Flow-Neuronennetzwerk leichter in den Flow zu kommen.
Wunderwerk Gehirn (Grafik: Alma Bosch, zusammengestellt aus Kopf von iStock / Petrovich9 und Synapsen von Shutterstock / Lightspring)
Natürlich gehört zur Erreichung des Flow-Zustands mehr als „nur“ das regelmäßige Erreichen dieses Zustands. Und dennoch sind wir davon überzeugt, dass ein von dir gebildetes Flow-Neuronennetzwerk sehr hilfreich sein kann, leichter und schneller in den Flow zu kommen.
Deshalb besteht eine Übung oder besser gesagt eine ganze Stufe in unserem Flow-Training darin, den Flow mit all deinen Sinnen und Empfindungen zu verinnerlichen.
[Bonus] Gratis Flow-Übung: Programmiere dein Gehirn auf Flow. Mit der einfachen und doch so wirkungsvollen Flow-Übung „Mein Flow-Skript“. Klicke hier, um zur Flow-Übung zu gelangen.
Mit dem Hintergrundswissen zu deinem Gehirn, genauer gesagt zur Neuroplastizität, solltest du ein grobes Verständnis davon bekommen haben, wie das Gehirn funktioniert, wie damit trainieren und dieses für dich nutzen kannst. Ziel davon ist es, dass du leistungsfähiger wirst und leichter in den Flow kommst.
Unser Gehirn ist kein starres Organ, was sich nicht anpasst. Es ist formbar und kann uns weiter voranbringen als wir es für möglich gehalten hätten. Alles was wir dafür tun müssen, ist zu wissen, dass es möglich ist und dann mit diesem Wissen zu arbeiten.
Wie das geht, haben wir dir in diesem Artikel gezeigt, oder zumindest einen Teil davon. Und mit den zuvor vorgestellten dazu passenden Übungen kannst du dieses Wissen auch gleich in die Praxis umzusetzen und anwenden.
Weitere passende Übungen um schneller und häufiger in den Flow zu kommen, gibt es mit unserem Flow-Training. Klicke hier, um mehr darüber zu erfahren.
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Hallo. Ich bin Andreas, Gründer von Flow Champions, BDFL Referent, Mentaltrainer A, DOSB-Ausbilder und Präsident vom Deutschen Bundeverband Sportmentaltraining.
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