BDFL-TRAINERFORTBILDUNG: WIE DU MIT DEINER STIMME DEIN TEAM NOCH BESSER ERREICHST
von Andreas Paul Bosch
(Flow Champions Gründer und Sportmentaltrainer)
von Andreas Paul Bosch
(Flow Champions Gründer und Sportmentaltrainer)
Am 10.Mai 2021 durfte ich für den BUND DEUTSCHER FUSSBALL-LEHRER (BDFL) eine digitale Trainerfortbildung zum Thema „Stimmtraining: Einfluss der Stimme auf die Spieler und deren Stimmung und Leistung“ durchführen. Mit meiner Spezialisierung zum FLOW Zustand konnte ich dabei meine Expertise mit einfließen lassen.
In der Diskussionsrunde vor Ort konnte ich sowohl Frank Engel (Ehemaliger Trainer der Deutschen U19 & U15 Nationalmannschaft des DFB und früherer Co-Trainer der DDR-Nationalmannschaft), als auch Miroslav Jagatic (Cheftrainer BSG Chemie Leipzig) und Marco Kurth (Co-Trainer RB Leipzig) spannende Fragen dazu stellen.
Gleichzeitig bereicherten knapp 120 Fussball-Lehrer*innen per online Zuschalte die Fortbildung mit ihren Fragen, Meinungen und auch Kritiken.
Damit auch du als Fußballtrainer*in davon profitieren kannst, habe ich dir die TOP 5 IMPULSE aus der Fortbildung zusammengefasst.
Warum überhaupt Stimmtraining? Weil deine Stimme direkten Einfluss auf die Stimmung deiner Spieler*innen hat. Mit deiner Stimme überträgst du vor, während und nach dem Spiel deine Stimmung direkt an deine Spieler*innen. Ob du willst oder nicht. Das passiert ganz automatisch und unbewusst.
Der Ton macht bekanntermaßen die Musik.
Dazu hat in einem Experiment Oliver Niebuhr erstaunliches heraus gefunden:
Er bat 30 Probanden zu einer Testfahrt mit einem Navigationsgerät mit jeweils zwei unterschiedlichen Stimmen. Die eine Stimme war angelehnt an die von Mark Zuckerberg, die andere an Steve Jobs. Was die Testfahrer nicht wussten, beide „Navi-Stimmen“ versuchten sie in die Irre zu führen. Es sollte untersucht werden, bei welcher Stimme sie länger „gehorchten“.
Das Ergebnis: Die Fahrer, die von der Steve-Jobs Stimme geführt wurden, brachen das Experiment viel später ab als die Testfahrer, die von Mark-Zuckerbergs Stimme geführt wurden. Fast ein Drittel der Fahrer mit dem „Steve-Jobs-Navi“ hätten sogar überhaupt nicht abgebrochen.
(Quelle: W wie WISSEN „Die charistmatische Stimme: Der Ton macht die Musik“, Autorin Nina Schmidt (hr) 19.05.2019)
Eine charismatische Stimme kann uns also nicht nur führen, sondern auch verführen und anspornen.
Auf den Sport übertragen, bedeutet das: Um so charismatischer deine Stimme ist, desto besser kannst du deine Spieler*innen anspornen und motivieren. Doch dazu kam von Fußballtrainer Ernst Middendorp der Einwand:
Charisma in der Stimme kann kaum trainiert werden.
Wie denkst du darüber? Lässt sich eine charismatische Stimme trainieren?
Meiner Meinung nach hat man bereits sehr viel dazu gewonnen, wenn man sich zunächst bewusst wird, welchen großen Einfluss die Stimme auf mein Gegenüber hat und welches Potential darin schlummert, die Leistung der Spieler*innen zu verbessern.
Mit einigen Übungen kann man durchaus die Stimme trainieren und damit auch optimieren. Dazu gibt es direkt eine Stimmübung:
Such dir irgendeinen Text, der nichts mit deiner Tätigkeit zu tun hat. Zum Beispiel eine Wettervorhersage oder ein Text aus einem Kinderlied. Hier als Beispiel: Hänschen Klein.
Lies bzw. trage jeweils nacheinander eine Strophe aus dem Text von Hänschen klein vor. Einmal …
Spiele bzw. variiere dabei mit der Geschwindigkeit deiner Stimme sowohl über die Lautstärke, als auch über den Rhythmus, die Melodie und Pausen.
Nach der Übung: Was hast du gespürt? Wie waren deine Emotionen?
So wie sich Stimme und Stimmung beeinflussen, hat auch die Stimmung großen Einfluss auf die Leistung deiner Spieler*innen. Dieser enge Zusammenhang zwischen Stimmung und Leistung wurde bereits 1995 in der Habilitation von Andrea Abele nachgewiesen. Gleichzeitig ist Stimmung ein wichtiger Baustein für FLOW Erfahrungen:
Schaffen wir es, uns in eine gute Stimmung zu bringen, kommen wir viel leichter in den FLOW.
Kennst du diese Momente? Ein Spiel bei dem es um alles oder nichts geht. Deine Mannschaft wächst über sich hinaus und spielt sich mit jedem Ballbesitz immer weiter in einen Rausch. Alles läuft perfekt. Strategie, Taktik, einfach alles geht auf. Du und die Spieler*innen sind voll bei der Sache und wachsen über sich hinaus. Alles geht wie von selbst, es läuft. In diesem Zustand sind wir in dem sogenannten FLOW.
Im FLOW sind wir in der intuitiven Bewegungssteuerung, empfinden Freude und verlieren häufig das Zeitgefühl. Wir sind überzeugt von dem was wir tun. „Wir sind im Fluss.“ Daher auch: im FLOW. Wir liefern ab. Drucksituationen beflügeln uns zu persönlicher Bestleistung.
Doch genau das fällt den meisten Leistungssportlern sehr schwer. Gerade mal 35% von ihnen können ihre Leistung abrufen, wenn´s drauf ankommt (nach einer Studie von Fester&Wörz).
Man spricht dabei auch vom Symptom des Trainingsweltmeisters. Was die Diskussionsrunde dazu zu sagen hat, siehst du im folgendem Video:
Und genau darin unterscheiden sich Champions von sehr guten Spieler*innen. Die Champions bleiben in Drucksituationen locker und können ihre volle Leistung abrufen. Kurzum:
FLOW ist ein Gefühlszustand, eine Stimmung, in die wir uns begeben können und uns zu Höchstleistungen anspornt.
Damit ist FLOW genauso über die Stimme übertragbar, wie jede andere Emotion auch.
Wenn du deine Mannschaft in den Flow bringen möchtest, fang also am besten bei dir an. Bringe zunächst dich in den Flow bzw. nähere dich dem FLOW Zustand an. 80% FLOW REICHEN AUS!
Praktische Übung: Eine sehr bewährte Methode, sich dem FLOW (zumindest) anzunähern, ist das FLOW Skript. Der erste Schritt dabei: Schreibe in deinen eigenen Worten so genau wie möglich auf, wie es sich für dich anfühlt, wenn es so richtig gut läuft, du im FLOW bist. Wie schwer oder wie leicht fiel es dir deinen FLOW zu beschreiben?
Wie sich Flow für die Expertenrunde anfühlt, siehst du in diesem Video:
Empfehlung: Wenn du mehr dazu wissen möchtest und wie genau du so ein FLOW-Skript Schritt für Schritt erstellst, empfehle ich dir mein HÖRBUCH. Einfach hier klicken.
Die Fähigkeit die Empfindungen und Gedanken deiner Spieler*innen zu erkennen und zu verstehen, spielt eine immer größere Rolle für eine*n erfolgreiche*n Trainer*in und unterscheidet eine*n gute*n von einer*m sehr gute*n Trainer*in.
Hand aufs Herz, wie gut erkennst du, was in deinen Spieler*innen vorgeht und wie gut kannst du darauf eingehen?
Das setzt natürlich voraus, das man der Thematik gegenüber offen ist und sich selbst reflektieren kann. Stichwort: Selbstwahrnehmung. Wie gut nimmst du wahr, wie angespannt oder ausgeglichen du bist?
Bist du angespannt, überträgt sich das schnell auf dein gegenüber und damit auf das Team. Dabei kannst du trainieren deinen Spannungsgrad immer besser wahrzunehmen und gezielt zu steuern bzw. zu regulieren. (Man könnte auch Erregungsgrad sagen, aber das kann falsch verstanden werden :-))
ÜBUNG! Du merkst, dass du angespannt bist? Versuche folgendes: Zentriere dich. Schließe die Augen. Atme tief ein (mindestens 3 Sekunden lang), Halte kurz den Atem (2-3 Sekunden) und Atme danach lange wieder aus (ca. 6 Sekunden). Wieder hole die Übungen 3 bis 4 mal.
Mein Tipp zur praktischen Umsetzung: Werde dir immer wieder bewusst, wie hell deine Glühlampe gerade leuchtet.
Trainiere dies auch gemeinsam mit deinen Spieler*innen. Stellt euch immer wieder diese Frage mit dem Ziel, immer besser und jederzeit wahrnehmen zu können, welchen Spannungsgrad jeder von euch in dem Moment auf einer Skala von 0 bis 100 hat. 0 steht dabei für das Extrem Schlafmodus und bei 100 sind wir im Panikmodus.
Im Übrigen, nach meiner Erfahrung befinden wir uns (in Abhängigkeit der Tätigkeit) zwischen 55 und 70 im FLOW.
Empfehlung: Du willst dein Empathievermögen noch weiter ausbauen? Dann empfehle ich dir folgenden Empathiekurs meines geschätzten Kollegen und Freund Michael Draksal. Einfach hier klicken.
Wie geht Individualisierung als Fußballtrainer*in? Was ist der Unterschied zwischen einem Coach und einem*r Trainer*in? Hast du dich schon mal gefragt, ob es sinnvoll ist, die beiden Rollen voneinander zu unterscheiden und bewusst einzusetzen?
Dazu folgender Denkanstoß:
Wann agiere ich als Coach und wann agiere ich als Trainer*in?
Hier zunächst die Unterscheidung:
Die Rolle des*r Trainer*in: Trainer*innen bringen durch die Vermittlung von Wissen und Trainingsmethoden den Spieler*innen etwas bei. Sie wissen was, was die Spieler*innen nicht wissen und machen damit Vorgaben und geben Anweisungen, was sie zu tun haben. Man agiert damit als eine Art „Lehrer*in“, die bzw. der seinen „Schüler*innen“ bestimmte Fähigkeiten (Taktik, Technik etc.) beibringt. Dazu gehört auch in passenden Momenten auf Fehler hinzuweisen, zu analysieren und Kritik zu üben.
Die Rolle des Coachs: Der Coach fungiert als ein*e Begleiter*in und Unterstützer*in, um Spieler*innen zu helfen, Herausforderungen zu meistern, z.B. bei einem entscheidenden Pokalspiel. Sie oder er bringt die Spieler*innen auf den Weg, gibt notwendige unterstützende Hinweise und spornt sie an, ihr Bestes zu geben.
Sei dir dieser zwei Rollen bewusst und hinterfrage dich: Inwieweit machen ausgiebige Fehleranalysen (Rolle als Trainer*in), in der Halbzeitpause eines Ligaspiels Sinn? Oder hemmen sie die Spieler vielleicht in eine gute Stimmung zugelangen?
EXKURS: Ergebnisorientierung im Spiel führt zu verkopften Spielern
Aus rein mentaler Sicht ist es für die Leistung deiner Spieler*innen im Wettkampf hinderlich, dass deine Spieler*innen unterscheiden, wie wichtig ein Spiel ist. Viel eher sollte für deine Spieler*innen jedes Spiel gleich wichtig sein. Egal ob Freundschaftsspiel oder Ligaspiel.
Warum? Wenn Spieler*innen anfangen zu bewerten, was für Konsequenzen sich aus einem Spiel ergeben oder nicht ergeben, dann sind sie nicht mehr beim Spiel. Nicht mehr im Hier und Jetzt. Damit besteht die Gefahr, dass sie zu verkopft sind und nicht mehr intuitiv und „frei“ spielen. Kurzum, nicht mehr im FLOW sind.
Was denkst du, ist aus mentaler Sicht das Beste für deine Spieler*innen um Ihre persönliche Bestleistung abrufen zu können? Welche Gedanken im Kopf sollten deine Spieler*innen nach der Halbzeitpause zurück auf dem Spielfeld haben?
A) Was bisher nicht gut lief, komplizierte Taktiken, die sie ins Grübeln bringen und die Angst bei schlechter Leistung ausgewechselt zu werden.
ODER
B) Sie haben nichts im Kopf. Sie empfinden Freude, Spaß und ein Gefühl von Sicherheit . Sie haben eine hammergeile Zeit und denken nicht an das „Danach“ oder die Konsequenzen.
Mir ist bewusst, dass die Realität da draußen häufig eine andere ist und der Fokus auf das Ergebnis als Muss und als Motivation zur Steigerung der Leistung verstanden wird. Vielleicht denkt der Mentaltrainer da ein wenig zu illusorisch.
Wie die Diskussionsrunde darüber denkt, siehst du hier im Video:
Wir wissen: jeder tickt anders. Und so ist auch jede*r Spieler*in ein Individuum und so sollte auch mit jedem*r anders umgegangen werden, damit die Spieler*innen im Spiel über sich hinauswachsen können. Das beginnt bereits bei der Kabinenansprache.
Hier kommt wieder die Stimme des*r Trainer*in ins Spiel. Für eine*n aufgeregte*n Spieler*in, der bzw. dem die Konzentration fehlt, benötigt eine empathische ruhige Stimme, die Halt und Zuversicht vermittelt und ein Stück weit wieder runterfährt. Siehe Beispiel mit der Glühbirne. Hier bedarf es die Stimme eines wohlwollenden Coachs.
Eine andere Spielerin wiederum fehlt die Konzentration und ist mit ihren Gedanken woanders. Hier braucht es vielmehr eine Aktivierung, zum Beispiel in Form einer etwas lauteren motivierenden Stimme, die sie zurück „auf die Spur“ bringt.
So eine laute, aktivierende Stimme wäre für den bzw. die aufgeregte*n Spieler*in zuvor eher fatal. Die „Glühbirne“ würde womöglich durchbrennen und die Leistung ist dahin.
Auch hier hilft trainieren, um darin besser zu werden: Wie ist die Körpersprache deiner Spieler*innen und was kann ich daraus interpretieren? Und vor allem, was benötigen deine Spieler*innen in diesem Moment, um ihr volles Leistungsvermögen abrufen zu können?
Wie du eine individuelle Kabinenansprache angehst, um jede*n einzelne*n Spieler*in so gut wie nur möglich abzuholen:
1. Schritt: Beginne bei dir.
Nimm zunächst wahr, wo stehst du im Moment? Wie fühle ich mich im Moment? Bin ich vielleicht selber etwas aufgeregt?
Versuche dich zu regulieren und in die für dich richtige Stimmung zu kommen. Denke auch hier wieder an eine Glühlampe. Vielleicht brauchst du eine Aktivierung oder eher etwas zum runterfahren. Werde dir dessen bewusst.
2. Schritt: Nimm wahr wie es deinen Spielern geht.
Die große Kunst einer Kabinenansprache ist es, jeden einzelnen emotional zu erreichen. Dafür muss man erst mal erkennen, wo die anderen gerade stehen.
Meist äußern sich Spieler*innen nicht, was in ihnen vor sich geht. Mit der Zeit kannst du das anhand der Körpersprache, Mimik und Gestik aber immer besser wahrnehmen. Wie ist die Köpersprache deiner Spieler*innen wenn es so richtig gut läuft und wie ist sie wenn es mal nicht so gut läuft? Erkenne die Unterschiede in deren Körpersprache im Training und in einem Punktspiel mit erhöhten Druck.
Übung für den Alltag: Versuche die Körpersprache des Kassierers im Supermarkt zu deuten. Wie hell leuchtet seine Glühlampe? Es geht darum, dafür ein Gespür zu entwickeln und dafür braucht es Training und Zeit. Du wirst sehen, dass du ein immer besseres Gespür dafür bekommen wirst.
3. Schritt: Selektiere deine Spieler in zwei Gruppen.
Eine Gruppe deiner Spieler*innen benötigen eine Aktivierung und die andere eher was zum runterfahren.
Eine Kabinenansprache, die die ganze Mannschaft einschließt ist aufgebaut wie ein Spannungsbogen mit entspannenden und aktivierenden Elementen.
Sprich jeden einzelnen Spieler mit seinen Namen an, schaue ihm dabei in die Augen. Versuche zu spüren wie es ihm geht. Dann spüre bei dir selber: wie fühle ich mich? Fühlst du dich in dem Moment wie ein Fels in der Brandung?
Warum ist das wichtig? Weil Emotionen übertragen werden, über deine Stimme und deine Körpersprache und natürlich auch in dem was du sagst.
Bei den einen Spielern*innen gibst du anhand deiner Wortwahl, Lautstärke, Mimik und Gestik eine Aktivierung mit. Den anderen, bei den die „Glühbirne“ schon kurz vorm durchbrennen ist, nutzt du deine Stimme mit Bedacht und fährst sie ein Stück weit runter.
TIPP! Trainiere deine Kabinenansprache! Zum Beispiel alleine in der Kabine oder zu Hause vor dem Spiegel. Am besten du nimmst deine Ansprache als Trockenübung mit einer Videokamera auf. Nutze hier auch die Stimmübung mit dem Liedtext Hänschen klein.
Gib dem ganzen eine Chance und probiere es aus. Auch Trainer sollten sich stets weiter entwickeln. :-)
Viel Spaß und vor allem viele FLOW Momente.
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